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„Eine Mission des Horrors“

Das südafrikanische Onlineportal  News24 tritt mit Berichten über KwaSizabantu  eine Lawine los

Die ersten Sätze in dem kurzen Film zeichnen ein schönes Bild. Den ersten spricht eine sympathische junge Frau mit weicher Stimme: „Es war ein sehr friedlicher Ort“. Dann sagt ein Mann: „Die Menschen dort waren außerordentlich offen und freundlich!“ Wieder ein anderer schildert: „Unser Leben war sozial, religiös und wirtschaftlich von der KwaSizabantu-Mission geprägt“.

 Doch dann fällt das Bild rasch in sich zusammen. „Du musstest regelmäßig deine Sünden bekennen, mindestens einmal in der Woche“, erinnert sich eine elegante Frau mittleren Alters. Im gleichen Moment in dem die Stimme eines älteren Herrn erklingt,   erscheint auf dem Bildschirm eine Schrift auf schwarzem Grund: „Eine Mission des Friedens“. Als der Mann seinen Satz beendet hat – „Die Kinder wurden furchtbar geschlagen!“ – , ist auf dem Screen zu lesen: „Eine Mission der Schmerzen“. Es folgen weitere Beschreibungen der Mission Kwasizabantu  und  aus der Zeile „Eine Mission des Glaubens“ wird „Eine Mission der Angst“, aus „Eine Mission der Zuflucht“ wird „Eine Mission der Vergewaltigung“. Schließlich macht der Trailer des  Filmes des südafrikanischen Medienverlags News24 im Wechsel der letzten Überschrift deutlich, was  ein ganzes Redaktionsteam nach  sieben Monaten Recherchearbeit herausgefunden hat:  Aus einer „Mission der Hoffnung“ ist eine „Mission des Horrors“ geworden.

Dieser Trailer war die Ankündigung einer Dokumentation in Film, Podcasts und einer Artikelserie der größten englischsprachigen News-Publikation Südafrikas, News24, über die Mission KwaSizabantu , die am Samstag, dem 19. September online ging. Millionen Südafrikaner lesen, hören  und sehen bei News24 seitdem Berichte über die Unterschlagung von Millionensummen,  Details über massenhafte Menschenrechtsverletzungen, sexuellen Missbrauch, Vergewaltigungen, brutalen Umgang mit Kindern und Schutzbefohlenen sowie über hilflose und bizarr anmutende  Verteidigungsversuche der  Missionsleitung. Südafrika erfährt nun von Niedrigstlöhnen  für Arbeiter in den Wirtschaftsunternehmen der Mission, von erniedrigendem Umgang mit Frauen und Männern aller Altersklassen, von sturem Festhalten an abstrusen Regeln und liest und hört und sieht erschütternde Zeugnisse über Missbrauch in vielen Formen und kann es nicht fassen.   

Das siebenköpfige Redaktionsteam um Chefredakteur Adriaan Basson und Tammy Petersen  fährt schweres Geschütz auf. Und lässt viele Zeugen sprechen. Marietjie Bothma etwa, die durch Fernsehrollen und ihre vielgelobte  Performance bei der Inauguration des damaligen Präsidenten Jacob Zuma  im ganzen Land bekannt ist, schildert eindringlich ihre Erfahrungen mit der Mission KwaSizabantu und von acht Selbstmordversuchen nach den Erniedrigungen durch die Sekte. Erika Bornman berichtet von sexuellem Mißbrauch durch einen ehemaligen KSB-Mitarbeiter aus der oberen Führungsrebene, der heute wegen Mordes im Gefängnis sitzt. Und davon, dass Frauen, die der  Missionsleitung von solchen Erfahrungen berichteten, entweder als Hure beschimpft oder als wahre Schuldige der Übergriffe bezeichnet wurden.

News 24 berichtet minutiös und ausführlich über die Veruntreuung von 150 Millionen Rand, über Ermittlungen der Hawks, einer Sondereinheit des Landes zur Aufdeckung organisierter Kriminalität, Korruption und Wirtschaftskriminalität, über Untersuchungen der Vorwürfe durch die Regionalregierung in KwaZulu Natal oder die südafrikanische Menschenrechtskommission, die der Sache auf den Grund gehen will. Polizeiminister Bheki Cele bestätigte polizeiliche Ermittlungen. Arbeitsgerichte  wollen jetzt (endlich) der Tatsache auf den Grund gehen, dass die Arbeiter auf der Mission seit etlichen Jahren für Hungerlöhne arbeiten – Tariflöhne spielten dort noch nie eine Rolle.

Für Europäer kaum zu glauben: Chefredakteur Basson sprach sich in einer Videobotschaft an die Leser von News24 dafür aus, die Produkte der Wirtschaftszweige der Mission KwaSizabantu zu boykottieren. „Sie wollen eine Sekte stoppen? Dann kaufen sie kein Wasser von aQuelle“, riet er seinen Millionen Zuschauern in deinem Video. 

Die Redaktion von News24 hat eine gewaltige Lawine losgetreten. Große Wirtschaftsunternehmen, wie etwa Spar und  Woolworth haben die Zusammenarbeit mit allen KSB-Firmen gestoppt, bei Makro und Game wurde die aQuelle-Prodikte aus den Regalen genommen,  Pick‘n Pay und Makro fordern Antworten von KSB auf die Vorwürfe. Viele Kunden, so berichtet News 24, brachten inzwischen sogar gekaufte aQuelle-Produkte in Läden zurück und ließen sich ihr Geld zurückzahlen.  

Bei News24 laufen inzwischen die Drähte heiß – zahlreiche neue Zeugen melden sich und wollen endlich einmal berichten was ihnen in der angeblich so christlichen Mission widerfahren ist. In den 24 Stunden nach der ersten Veröffentlichung am Samstag erhielt die Redaktion über 50 Meldungen von Opfern der Mission, die von physischem und sexuellem Missbrauch berichten – und von Vergewaltigungen.  News24-Chefredakteur Adriaan Basson gibt Interviews in Fernsehsendern des Landes über die KwaSizabantu-Affäre, öffentliche Online-Talkrunden von News24 über das Thema finden statt, eine Flut von neuen Informationen über die „Mission des Horrors“  überschwemmt das Land. 

Und wie reagiert KwaSizabantu? So wie immer! Egal welcher Vorwurf geäußert, gedruckt oder gesendet wird, die Parole der Sekte ist immer die gleiche: „Alles Lüge, eine Schmierkampagne, alles rassistische Motive, weil niemand es Schwarzen gönnt erfolgreich zu sein“. Das verbreiten sie über ihre eigene Radiostation Radio Khwezi, das posaunen sie ins Land. Allerdings: News24 berichtet auch das. Und auch, dass die Wasserfabrik aQuelle angekündigt hat, eine unabhängige Kommission zu berufen, um die Vorwürfe gegen die Mission und ihre Betriebe aufzuklären!  Kenner von KwaSizabantu wissen: das Ergebnis steht schon fest, siehe oben: „Alles Lüge, eine Schmierkampagne, alles rassistische Motive….“  

Auf dem Tisch der Redaktion von News24 liegt auch ein fast schon historisches Dokument aus dem Jahr 2000. Und die Redaktion von News24   kann  erkennen, dass die Recherchen  ihrer Journalisten sich zu hundert Prozent mit dem Inhalt des Dokuments von damals decken.  Für KwaSizabantu ist das so viele Jahre danach extrem unangenehm. Das Dokument ist nämlich das Ergebnis einer Untersuchung der Evangelischen Allianz Südafrikas, die sich seinerzeit tagelang Zeit nahm, um etwa 20 Zeugen von Missbrauch aller Art auf der Mission anzuhören. Es ist eine Art Duplizität der Ereignisse: Zwanzig Jahre vorher oder nachher sind die Stichworte die gleichen, die Tatbestände dieselben, das Entsetzen über die Verbrechen ist das gleiche, die Trauer, die Traumata, die psychischen Folgen sind die gleichen. Nur was damals der Betrug mit einer Diamantenmine war, wird  heute durch den Kriminalfall  mit den verschwundenen  150 Millionen Rand ersetzt.  Und  wie reagierte KwaSizabantu damals? Genau wie heute, mit der zynischen Verhöhnung ihrer Opfer: „Alles Lüge, eine Schmierkampagne…“  Doch jetzt  hat sich dank der News24-Veröffentlichungen etwas Entscheidendes geändert: jetzt ist der Druck so hoch, dass KwaSizabantu aus der Nummer nicht mehr herauskommen wird. Die Zahl der Zeugen, die endlich reden wollen, ist zu hoch. Die Beweise sind zu eindeutig. Die seit Jahren immer wieder erhobenen Vorwürfe sind zu furchtbar, zu schwerwiegend, zu ähnlich und zu zahlreich, als dass sie jetzt noch vom Tisch zu wischen sein werden. Jetzt jagen zu viele Hunde den Hasen, als dass der noch davon kommen könnte.