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Die Gegendarstellung

Während alle mit Fingern auf sie zeigen, beharrt die EGHO auf Petitessen und schädigt weiter ihren Ruf

Im südwestdeutschen Bundesland Baden-Württemberg gibt es einen Ministerpräsidenten namens Winfried Kretschmann. Über diesen steht ein Satz in einer großen deutschen Zeitung, der auf eine gewisse Weise damit zu tun hat, worauf wir hinaus wollen. Der Satz lautet: „Winfried Kretschmann bezeichnet seine einstige Nähe zu kommunistischen Hochschulgruppen häufig als Irrtum seines Lebens.“ Tatsache war: Er hatte den Kommunismus mit seiner Gewalt-, Unterdrückungs- und Entmündigungs-Ideologie vor aller Welt als „völligen Blödsinn“ erkannt.

Frage: Haben in der Schweiz ehemalige und jetzige Leiter der einstigen Kwasizabantu-Gemeinde auf dem Hof Oberkirch jemals ihre Nähe zu der südafrikanischen Sekte, ihre Adaption der Angst-, Unterdrückungs- und Entmündigungstheologie öffentlich als Irrtum, oder besser noch: als Irrtum ihres Lebens erkannt? Antwort: Nein, haben sie nicht.

Wie kommen wir denn nochmal auf dieses Thema? Ganz einfach, durch die SonntagsZeitung in der Schweiz. Das Blatt mit einer Auflage von 130000 Exemplaren schrieb im Dezember 2022 in einem von zwei ausführlichen Berichten über die skandalträchtige Vergangenheit der Evangelischen Gemeinde Hof Oberkirch, EGHO: „Die sektenähnliche Gruppe hat bis heute ihren Sitz im sankt-gallischen Kaltbrunn. Nur den Namen hat sie geändert. Sie heißt heute Evangelische Gemeinde Hof Oberkirch.“

(Siehe: https://ksb-alert.com/2022/12/20/auf-die-knie/ )

Eine solche Formulierung gefällt ihnen gar nicht auf dem Hof Oberkirch. Und wie zu erwarten, ruft sie sofort alte Reflexe hervor: Zeter und Mordio, alles Lüge, übelste Verleumdung, folglich: Gegendarstellung! Denn es muss jedem klar gemacht werden: wenn die einstigen Jünger Erlo Stegens sagen, alles sei nun anders, dann ist auch gefälligst alles anders – und nicht nur der Name! Schon bei KwaSizabantu war und ist es immer so, dass die Wahrheit und das Recht immer auf ihrer Seite sind und nirgends sonst.

Wenn es darum geht, ihrer „Wahrheit“ Gültigkeit zu verschaffen, dann sind sie mit Juristen schnell bei der Hand. Enrico Kampmann, Redakteur beim St. Galler Tagblatt und Autor von vier exzellent recherchierten Artikeln über die Geschichte der EGHO, hat in einem Video seiner Zeitung zum Jahresende ein wenig aus dem Nähkästchen geplaudert und über seine Arbeit an den in der ganzen Schweiz viel beachteten Berichten erzählt „Die größte Herausforderung bei der Recherche war“, sagt er, „ dass die Anwälte von der Freikirche und von Jürg Läderach von Anfang an und während dem ganzen Prozess sehr großen Druck ausgeübt haben. Und bevor der erste Artikel überhaupt erschienen ist, haben sie mir schon mit rechtlichen Schritten gedroht und haben währenddessen immer wieder geradezu lachhafte Sachen im Text beanstandet.“ (https://ksb-alert.com/2022/08/15/der-hugel-der-angst/https://ksb-alert.com/2022/08/17/die-sekte-bleibt-im-familienbesitz/https://ksb-alert.com/2022/08/24/den-behorden-theater-vorgespielt/https://ksb-alert.com/2022/11/10/eine-mauer-des-schweigens/ )

Zeitungen müssen Gegendarstellungen bei bestimmten Voraussetzungen publizieren. Im Schweizer Zivilgesetzbuch heißt es dazu an einer Stelle: „Weiter muss die Tatsachenbehauptung irgendwie „herabsetzend“ sein, sie muss einen fassbaren, negativen Gehalt aufweisen.“ „Nur den Namen haben sie geändert“ hat für Juristen so etwas wie „negativen Gehalt“. Und obwohl Zeitungen Gegendarstellungen nicht gerne drucken, tun sie dies dann eher doch, bevor es zu juristischen Streitigkeiten kommt.

In der Schweizer SonntagsZeitung erschien Ende Dezember also folgender Text:

Gegendarstellung

In der Ausgabe vom 18. Dezember 2022 wurde unter dem Titel „Als mein Mann mich umbringen wollte, wusste ich, dass ich die Gemeinde verlassen muss“ behauptet, die urprünglich unter dem Namen „Gemeinschaft Kwasizabantu“ geführte Evangelische Gemeinde Hof Oberkirch habe „nur den Namen geändert“. Diese Aussage trifft nicht zu. Tatsache ist: Die Evangelische Gemeinde Hof Oberkirch hat nicht nur ihren Namen geändert, sondern sich im Juli 2019 vollständig von der Mutterorganisation „Kwasizabantu“ in Südafrika getrennt, sich neu organisiert, ihre Leitungsfunktionen neu besetzt und sämtliche Vorfälle in der Zeit von 1995 bis 2021 von unabhängigen Rechtsexperten untersuchen lassen.

Evangelische Gemeinde Hof Oberkirch

Wozu eine derartige Gegendarstellung gut sein soll, wissen deren Verfasser vermutlich selbst nicht. Und vor dem Hintergrund ihrer massiven Verfehlungen wirkt sie rechthaberisch. Es fehlt das Fingerspitzengefühl um zu bemerken, dass das Beharren auf Petitessen den ohnehin schon miserablen Ruf der ehemaligen KwaSizabantu-Gemeinde zusätzlich schädigt. Alle zeigen mit Fingern auf sie, sie haben den christlichen Glauben schwer in Verruf gebracht und waren ein extrem abstoßendes Beispiel für eine christliche Gemeinde. Sollten sie da nicht besser mal die Luft anhalten anstatt sich an einer Bagatelle hochzuziehen und spitzfindig auf ihrem formalen Recht zu bestehen, als gebe es nichts Wichtigeres auf dieser Welt?

Und überhaupt: von wegen alles neu, Name geändert, von KSB getrennt, neue Leitung, von Rechtsexperten untersucht – die schöne neue Welt der EGHO ist derart kongruent mit der alten Welt KwaSizabantus, dass man sich fragt, ob tatsächlich etwas neu ist dort außer ein paar Äußerlichkeiten drum herum.

Gehen wir der Frage doch einmal nach. In einem Chat von Kennern der Szene tauchte nach Erscheinen der Gegendarstellung folgende Mitteilung auf:

Die neue Gemeinde-Leitung der EGHO ist auf diese drei Männer verteilt: Josef Morger (Hauptleiter, verh. mit Rebecca, geb. W.), Josija Morger (verh. mit Andrea, geborene K.), Markus Rüttimann (verh. mit Claudia, geb. M.). Die Schulleiterin ist J. Läderach, die jüngste Läderach-Tochter. Sie hat die Ausbildung zur Lehrerin am Cedar College (in KwaSizabantu Südafrika) gemacht. Johannes Läderachs Frau, S., geb. V., unterrichtet auch noch an der CS Linth und auch ihre Kinder gehen weiter da zur Schule.

Kreuz und quer in der KSB-Anhängerschaft familiär verbandelt, finden sich in den Leitungspositionen und deren Anhang auf dem Hof Oberkirch nur KSB-Eigengewächse, alles Namen, die seit Jahren und Jahrzehnten für die Sekte Kwasizabantu in der Schweiz standen. Die drei Herren in der Gemeindeleitung, ihre Frauen sowie sonstige Akteure in der ersten Reihe sind dort sozialisiert, – alle in der Ideologie und Theologie Kwasizabantus aufgewachsen, eng verwoben mit alten Führungsfiguren vom Hof Oberkirch. Der Vater der Morgers etwa war in KwaSizabantu Schweiz als „Hardcore-Prediger“ bekannt. Oder Dorothee Voser, jahrelang Kassiererin des bis zum 22.8.2022 im Handelsregister eingetragenen Unternehmens „Evangelische Gemeinde Hof Oberkirch“ und Tochter des langjährigen Gemeindepräsidenten Othmar Voser: sie ist nach wie vor im Geschäft, nämlich dort, wo alles zusammenläuft: als Sekretärin von Schule und Gemeinde. Alles neu da oben auf dem Hof Oberkirch?

Wer in solchem Dunstkreis aufwächst, hat übrigens gelernt, sich oder „das Werk“ fleckenlos darzustellen und dabei im KwaSizabantu-Stil mit gezinkten Karten zu spielen. Dabei hilft am besten Ungelegenes wegzulassen. Der neue Leiter der Gemeinde, Josef Morger etwa gab gegenüber der Linth-Zeitung treuherzig an, er sei von 2010 bis 2019 in einer Nonprofit-Organisation in Griechenland für die Bewirtschaftung einer Beerenfarm zuständig gewesen. Was er der Zeitung aber nicht erzählen wollte, war ein bemerkenswerter „Zufall“: zu genau dieser Zeit nämlich gab es die – schließlich nicht realisierte – Idee, in Griechenland eine Filiale der Mission KwaSizabantu aufzubauen. Johannes Läderach wiederum, ältester Sohn des KSB-Urgesteins Jürg Läderach, berichtete gerade dieser Tage in der Regionalzeitung Südostschweiz, dass er und seine Brüder sich entschieden hätten, die Gemeinde zu wechseln. Das klingt nach klarem Kurs, danach, endgültig nichts mehr mit dem Stigma des Hofs Oberkirch zu tun haben zu wollen. Doch sind seine nach wie vor engen Verbindungen dorthin auch nach dem Skandal nicht doch interessant: dass nämlich seine Frau weiterhin an der Schule auf dem Hof Oberkirch Lehrerin ist, seine Kinder dort zur Schule gehen und seine Schwester die Schule leitet (siehe oben)? Solche Infos gab er der Zeitung lieber nicht.

Vor allem ehemalige Mitglieder von KSB und der EGHO gehen davon aus: Die Sekte hat zwar ihren Namen geändert, aber wo einst KwaSizabantu drauf stand, ist personell und ideologisch nach wie vor das Wesentlichste drin: KwaSizabantu! Martin W. (sein Name war geändert) sagte jüngst dem St. Galler Tagblatt: „Es ist total egal, wer jetzt an der Spitze sitzt, es funktioniert immer noch genau gleich. Sie predigen immer noch genau das Gleiche“. Bis auf die Tatsache, dass sich die Freikirche heute anders nenne, habe er keinerlei Unterschied zu vor 20 Jahren bemerkt, erklärte er der Zeitung, nachdem er unlängst mal wieder einen Gottesdienst dort besucht hatte.

In dem oben erwähnten Chat ehemaliger KSB-Mitglieder bemerkt eine Iris M. aus Deutschland zum „neuen“ Personal auf dem Hof Oberkirch:

„Das ist genau das gleiche Problem, wie bei der KSB-Mutterkirche. Da hat man die übriggebliebenen Kinder zu Anführern gemacht, die die Hirnwäsche seit ihrer Geburt angenommen haben und ausleben und für die Wahrheit halten. Sie wurden nie erzogen kritisch zu denken, oder die Bibel mit einem offenen Herz zu lesen und prüfen. Ihr religiöses Denken ist anerzogen und hineingeprügelt. Wegen dem Trauma, dem sie immer wieder ausgesetzt waren, können sie auch jetzt nicht kritisch denken. … Meine Meinung zu der EGHO ist, wenn sie wirklich eine evangelikale Gemeinschaft sein wollen, dann sollte für ein paar Jahre niemand in der Leitung sein, der im alten System aufgewachsen ist.“

N. aus der Schweiz bemerkt dazu:

„Äußerlich haben sich ein paar Sachen geändert: Schminke, Schmuck und Hosen bei den Frauen sind nun erlaubt. … aber innen drin, diese Denkweise, wie du es so passend beschrieben hast, ist noch die gleiche. Ergebnis der jahrelangen Gehirnwäsche.“

Dass sich wenig ändert auf dem Hof Oberkirch, darauf macht auch ein Offener Brief eines Gemeindemitglieds aufmerksam, der bereits seit September in der EGHO kursiert. Der Schreiber wurde gebeten die Gemeinde zu verlassen, weil er sich nicht vollständig hinter die neue Gemeindeleitung stellen wollte. In dem Brief heißt es:

„Die alte Gemeindeleitung hat es leider nicht verstanden, die Vergangenheit für sich selber und mit der Gemeinde gründlich aufzuarbeiten. Sie erkennen nicht und gestehen nicht das Falsche, sowie Versäumnisse von Verantwortungen und Pflichten gegenüber Menschen und Gemeinde“

Über die neue Gemeindeleitung, die von der alten Führung als ihre Nachfolge vorgeschlagen wurde und dann von den Schäfchen der Gemeinde brav gewählt wurde, schreibt er:

„Sie sind aufgewachsen unter der alten Gemeindeleitung und dem Einfluss des Mischgeistes, sie sind völlig überfordert, eine Jahrzehnte fehlgeleitete Gemeinschaft auf Grundlagen biblischer Lehre aufzubauen“.

Das alles hört sich exakt so an, wie die Schweizer SonntagsZeitung schrieb. Im übertragenen Sinn hat sich am Hof Oberkirch „nur der Name geändert“.

Ja und was ist jetzt mit der Theologie der Angst, Unterdrückung und Entmündigung? In keiner Zeile ihrer Kommunikation mit der Öffentlichkeit haben die Hauptdarsteller auf dem Hof Oberkirch bislang erwähnt, dass sie das theologische Blendwerk der Mission KwaSizabantu – sie nannten es „das Evangelium der Erweckung“ – hinter sich gelassen haben. In der Gegendarstellung finden sie Krümel – aber was ist mit dem wichtigsten Werkzeug, mit dem sie vor allem Kinder und Jugendliche auf Jahre hinaus oder gar fürs ganze Leben fix und fertig gemacht haben: was ist mit der Lehre? Droht denen in der EGHO nach wie vor in jeder Minute das furchtbare Gericht Gottes? Sollen sich noch immer Eltern von ihren Kindern trennen, wenn diese nicht wie gewünscht funktionieren? Gibt es bei Liebeleien unter Teenagern weiterhin harte Strafen? Hört Gott die Gebete ihrer Schäfchen weiterhin nicht, wenn sie ihre Sünden noch nicht bekannt haben? Ist die Frau immer noch die Untertasse? Sitzen Kinder aus Angst vor Strafe noch immer stundenlang still, wenn der Gottesdient mal wieder endlos ist? Haben sie inzwischen eine freie Wahl, sich für ein Leben mit Jesus zu entscheiden oder werden sie weiter in den Glauben hineingezwungen? Darauf gibt es keine Antworten.

So ziemlich das Einzige, was die bislang für das Desaster auf dem Hof Oberkirch Verantwortlichen zugegeben und damit versucht haben sich herauszureden, war, dass sie sich „zu schnell mit einfachen Antworten und Reaktionen zufrieden gegeben“ haben. Aber weder die Herren Voser, Mannhart, Läderach noch andere aus der ehemaligen Leitung haben bislang eingeräumt, die Ideologie der Sekte, die Theologie der Angst und Gewalt, der Prügel und Unterdrückung persönlich befürwortet, gepredigt, selbst in die Tat umgesetzt und dafür gesorgt zu haben, dass jedes Sektenmitglied in diesem Sinne denkt und handelt. „Die Missbräuche gehen dabei vor allem auf eine damals von Einzelnen falsch ausgelegte Lehre zurück, …“, hatten sie während der Untersuchungen über die Vergangenheit der Sekte ihr Versagen zu relativieren versucht. Der Untersuchungsbericht entlarvte diese Lüge klipp und klar: „Die von der Mission Kwasizabantu vertretene Lehre führte im Alltag der Schule und der Gemeinde … zu Grenzüberschreitungen und teilweise schweren Missbräuchen in religiöser, psychischer, körperlicher und sexueller Hinsicht.“

Die Wegbereiter des Fiaskos von Kaltbrunn betreiben lieber Haarspalterei und verfassen Gegendarstellungen statt den Beweis zu liefern, dass und in welchen Bereichen sich ihre Theologie verändert hat. Sie bekennen keine persönliche Schuld, schon gar nicht im Detail. Solange das so ist und die Evangelische Gemeinde Hof Oberkirch und die ihr zugehörige Schule CS Linth von den in dem toxischen System erzogenen Nachkommen geführt werden, solange, sind sich viele Opfer der Sekte und Beobachter einig, ist den Erneuerungsbekundungen vom Hof Oberkirch nicht zu trauen.

Und solange denen nicht zu trauen ist, hat sich in den Augen sehr vieler Betrachter dort eben doch nur der Name geändert.