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„Kinder schlagen wird gepredigt”

Psychoterror, Unterdrückung, Züchtigung – das christliche Missionswerk in Hof Oberkirch ist jüngst in die Schlagzeilen geraten und wehrt sich. Doch Ehemalige sprechen von einer gefährlichen Sekte.

Von XXX

(Dies ist der Artikel eines Schweizer Zeitungsredakteurs, dessen Chefredaktion ihn aus uns unbekannten Gründen nicht zum Abdruck freigab. Er wurde im Sommer 2006 geschrieben)

Er wurde nach Südafrika geschickt. Dort hat man ihn für zwei Wochen in ein Zimmer eingesperrt. Danach musste er drei Monate lang jeden Tag von früh morgens bis abends auf einer Plantage Arbeiten. So schildern R.B. und F.Z., zwei ehemalige Linthgebiet Angehörige von Kwasizabantu in Hof Oberkirch, das Schicksaal von XXXXX*, dessen zu Hause das Linthgebiet ist. Der 15-Jährige musste dieses Leid erdulden, weil er geraucht hatte und weil er mit einem Mädchen eine Freundschaft pflegte. Beides wird von der Mission Kwasizabantu nicht geduldet, was deren Schweizer Präsident Christoph Morger aus Schänis auf Anfrage auch bestätigte.

«Wer in der Schule raucht und SMS schreibt, muss die Konsequenzen tragen», erklärt Morger. «Denn die Bibel will, dass man ein reines Leben (lienientreu)führt.» Wie es dem Jungen in Südafrika ergangen ist, scheint den KSB-Präsidenten nun aber nicht zu interessieren. «Ich kann mich nicht um alles und jeden kümmern», lautet zumindest sein Kommentar dazu. Trotz Demütigung liess sich der Junge nicht beugen. Vor wenigen Wochen kehrte er aus Südafrika zurück. Von seinen Eltern, die nach wie vor der Mission angehören, wird er nun ausgestßen, berichten die beiden Ehemalige weiter, die sich inzwischen XXXXX angenommen haben.

„Die Zeichen sind überdeutlich”

Das ist nicht der einzige Fall, bei dem Kinder innerhalb von Kwasizabantu Schlimmes erleiden mussten. «Mein Kind wurde von ihrer Lehrerin an einen abgeschiedenen Platz geführt und dort mit dem Gurt geschlagen», erzählt R.B. aus dem Linthgebiet. Zwar liegt das bereits einige Jahre zurück. Und KSB-Präsident Morger dementiert auch nicht, dass an der Domino Servite Schule (sie gehört zum Missionswerk in Hof Oberkirch) Fehler gemacht worden sind. «Doch das liegt schon lange zurück», betont er und stellt klar: «Solches gibt es heute an dieser Schule nicht mehr.» Doch R.B. sagt: «Es wird gepredigt, dass man Kinder schlagen darf und soll, bis sie gehorsam sind.» Morger: «Das kann schon sein.» Mehr dazu sagen, wollte er nicht.

Das internationale Missionswerk der deutschen Brüder Erlo und Friedel Stegen, dessen Zentrum im südafrikanischen Zululand ist, sieht sich noch mit anderen Anschuldigungen und Vorwürfen konfrontiert. Der Sektenexperte Hugo Stamm nennt Kwasizabantu in seinem Bericht im Tages Anzeiger vom 24. Juni 06 ein fundamentalistisches Missionswerk und spricht von einer gefährlichen Sekte. Und auch bei der evangelischen Informationsstelle ist Gleiches zu erfahren. «Die Zeichen für eine Sekte sind bei Kwasizabantu überdeutlich», heisst es auf Anfrage. Begründet wird dies damit, dass die Mitglieder kontrolliert werden. Vor allem aber geht es um Macht. «Es ist geil, Macht auszuüben und Menschen kontrollieren zu können», heisst es bei der Informationsstelle. Und genau dies geschehe bei Kwasizabantu.

Seelische Gewalt und Terror

Das Treffen mit den beiden aus dem Linthgebieth, die fast 15 Jahre bei KSB dabei waren und vor zwei Jahren die Mission verlassen hatten, erhärten diese Behauptungen. «In der Mission herrschen seelische Gewalt und Psychoterror», sagt R.B. und fügt an: Es sei gepredigt worden, man solle den Kindern die Liebe entziehen. Dass die Züchtigung der Kinder im Fokus von Kwasizabantu steht, musste auch F.Z. aus dem Linthgebiet erfahren. «Die Kinder von heute, sind die Kunden von morgen», wurde gepredigt. Auch Frauen werden unterdrückt. «Sie dürfen keine langen Röcke mit Schlitz tragen», sagt F.Z.. Wer dies tue, hege sexistische Gedanken, hiess es bei Kwasizabantu – was Morger auf Anfrage bestätigt. «Solche Kleider enthalten gewisse Botschaften», sagt er. Welche Botschaften? «Wer solche Kleider trägt, bekundet, dass man mit ihr am Mittag Sex haben kann», erklärt Morger eine von vielen Überzeugungen von Kwasizabantu.

«Die Sekte baut auf Schuldgefühlen auf», erklärt R.B. «Man wird zur Demut erzogen.» Es entstehe ein Zustand krankhaften Zustandes. «Das christliche Umfeld wird dazu missbraucht, um Macht auszuüben», kritisiert sie die Vorgehensweise von KSB. Christoph Morger weist all diese Vorwürfe von sich. Vieles werde «schwer verdreht», sagt er und fügt die zynische Frage an: «Kann man von Ehemaligen etwas anderes erwarten?» Morger betont aber auch, dass man bemüht sei, mit ihnen ein normales Verhältnis zu haben. «Wir haben nichts gegen sie», versichert er. «Wir wollen mit allen ein gutes Einvernehmen.»

Man wollte sie wieder bekehren

Ehemalige berichten allerdings Gegenteiliges. Bereits der Ausstieg gestaltete sich schwierig. Immer wieder habe man versucht, sie zu bekehren und zur Vernunft zu bringen, erinnert sich R.B. Auch psychische Drohungen wurden laut. «Wir kämen in die Hölle, wurde uns immer wieder gesagt», erinnert sich R.B. Acht Monate dauerte es, bis sie sich mit ihrer Familie von Kwasizabantu lösen konnte. «Und dann steht man plötzlich ganz alleine da», sagt R.B. Zwei Jahre dauerte es, bis die Linthgebieter Familie wieder ein eigenes Umfeld aufbauen konnte. Die meisten Ehemaligen sind weit weg gezogen.

*( Die richtigen und vollständigen Namen sind der Redaktion bekannt.)

Eine Recherche ins Ungewisse

«Wehe dem, der schlecht von diesen Leuten spricht. Dem wird die Zunge abfaulen. Gott lässt nicht spotten.» Diese Drohung wurde mir im Laufe meiner Recherchen über das Missionswerk Kwasizabantu (KSB) zuteil. Das ließ mich ziemlich aufhorchen. Als ich mit meinen Nachforschungen begann, wusste ich nicht, was mich erwartet. Da hatte ich bloß diesen einen Artikel aus dem «Tages Anzeiger», verfasst vom Sektenexperten Hugo Stamm, gelesen. Von Betrug, Lügen und Rufmord innerhalb von KSB war darin die Rede.

Ich wollte zuerst möglichst viele Hintergrundinformationen zu dieser Glaubensgemeinschaft in Hof Oberkirch in Kaltbrunn erfahren. Mehrere Stunden surfte ich im Internet umher. Auf Seiten wie www.kwasizabantu.ch, www.ksb-alert.com, www.relinfo.ch, www.sekten.jesus.ch oder www.rel-news.ch war viel zu erfahren. Was ich da las, war teilweise beängstigend. Ehemalige berichteten von Psychoterror und Gewalt, von Züchtigung und Unterdrückung. Sie berichteten davon, dass KSB sehr gefährlich sei. Ich wollte also unbedingt mit Ehemaligen in Kontakt treten, um einen eigenen Eindruck zu gewinnen. Ich wollte einfach sicher gehen, dass solche Geschichten nicht bloß erfunden oder aus Rachsucht in die Welt gesetzt worden sind. Ich wollte aber auch mit Angehörigen in Kontakt treten. Denn mein Bericht sollte möglichst ausgewogen daher kommen.

Ich fand im Internet ein Gästebuch mit Einträgen wie: «Bloß ein bisschen Kontakt mit dieser Sekte und du kommst bald in eine große Notlage.» Oder: «Das Gift der Vipern, greift das Blut und Gewebe des Opfers an.» Ich hatte ob solcher Einträge etwas Zweifel an der Glaubwürdigkeit von Ehemaligenberichten. Doch wie gefährlich ist KSB wirklich? Ich trug mich anonym im Gästebuch ein und hoffte, dass sich Ehemalige und KSB-Anhänger bei mir melden. Ich schien ins Schwarze getroffen zu haben. Via Email erreichten mich Drohungen. Ich ließ mich davon aber nicht beirren. Denn immerhin meldeten sich auch Ehemalige – wenn auch vorerst anonym und zurückhaltend. Sie befürchteten, ich könnte ein Spitzel sein. Doch sie riefen mich an.

In einem Garten im Linthgebiet traf ich einige Ehemalige. Sie hinterließen einen glaubwürdigen Eindruck. Doch das genügte mir nicht. Ich suchte einen unabhängigen Sektenberater, den ich bei der evangelischen Informationsstelle fand. Er bestätigte mir meinen Verdacht, dass es sich bei KSB um eine Sekte handeln muss. Doch damit gab ich mich immer noch nicht zufrieden. Jetzt wollte ich den Präsidenten der Mission mit all diesen Anschuldigungen konfrontieren. Das Telefongespräch lag mir schwer im Bauch.

Er sei nicht da, hieß es. Dachte ich mir. Doch ich wurde überrascht. Kurz darauf rief mich Christoph Morger, Schänis, an. Er ist seit drei Jahren Präsident von KSB Schweiz. Er nahm Stellung zu den Vorwürfen. Er entschuldigte sich sogar dafür, dass mir gedroht wurde. «So etwas heißen wir nicht gut», versicherte er mir, nahm jene Person aber auch in Schutz: «Unsere Leute wissen nicht, wie sie auf Kritik und Anschuldigungen reagieren sollen.»

Während fünf Tagen hatte ich recherchiert, Leute getroffen und Gespräche geführt. Selten hat man als Lokalredaktor so viel Zeit für eine Geschichte. Sie war es mir Wert.