St. Galler Tagblatt 4.Oktober 2007
St. GAllen. Gegen die umstrittene Privatschule Domino Servite in Kaltbrunn liege nichts vor, schreibt die Regierung in einer Interpellationsantwort. Braucht es wirksamere Kontrollen?
Andreas Kneubühler
In der Privatschule Domino Servite in Kaltbrunn herrsche Unterdrückung und Angst, wer sich nicht an die Regeln halte, müsse mit Psychoterror rechnen. So schilderte der Sektenspezialist Hugo Stamm im Juni 2006 im «Tages-Anzeiger» die Zustände im Hof Oberkirch. Die Schule sei mit der fundamentalistischen Freikirche Kwasizabantu verbunden, stellte er fest. Ehemalige bestätigten seither diese Einschätzungen und erzählten von einem von alttestamentarischer Frömmigkeit geprägten Klima, von Bespitzelungen und Druckversuchen.
Beschränkte Möglichkeiten
Der Kanton St. Gallen hat die Schule 1998 bewilligt, seit 2004 besitzt auch das Internat die erforderliche Betriebsbewilligung. Im September 2006 reichte SP-Kantonsrätin Daniela Colombo eine Interpellation ein, in der sie von der Regierung eine Stellungnahme zu den Vorwürfen verlangte. Sie wollte wissen, welchen Handlungsspielraum es gebe, der Privatschule die Bewilligung zu entziehen. Und: «Sind seit dem Bekanntwerden der Vorwürfe die Kontrollen erhöht worden?»
Für eine Antwort liess sich die Regierung Zeit. Ende Mai nahm sie Stellung, in der Septembersession wurden die Ausführungen im Rat diskutiert. Es sei nicht auszuschliessen, «dass in weltanschaulich ausgerichteten Schulen mit konservativ-traditionalistischem Hintergrund eine Beeinflussung und Gängelung der Kinder stattfindet», heisst es. Bloss: Soweit solche Indoktrination mit Zustimmung und Duldung der Eltern erfolge, «hat der Staat kaum Interventionsmöglichkeiten».
Ausschluss ist Schulentscheid
Diese Argumentationslinie zieht sich wie ein roter Faden durch die Antwort der Regierung. Das gilt auch für das von Domino Servite praktizierte Sanktionssystem. Schülerinnen und Schüler, die nicht spuren, müssen damit rechnen, zur Disziplinierung nach Südafrika, in
Missionen von Kwasizabantu, geschickt zu werden. Ein fünfzehnjähriger Schüler berichtete im Juli 2006, er sei für drei Monate «verbannt» worden. Immer wieder sei er bearbeitet worden, seine angeblichen Verfehlungen einzugestehen. Ihm sei aber nur vorgeworfen worden, dass er eine Freundin habe.
Die Regierung hält dazu fest, dass es in der Kompetenz der Privatschule liege, einen Schüler aus disziplinarischen Gründen auszuschliessen. Und es sei im Ermessen der Eltern, ihn fremdzuplazieren. Gesamthaft bestehe «aufgrund der aktuellen Aktenlage» kein Grund für rechtliche Schritte gegen die Privatschule.
Zu diesem Schluss sei auch ein aussenstehender Rechtsanwalt gekommen, den das Erziehungsdepartement beigezogen habe. Als Grundlage stützte sich das Erziehungsdepartement auf eingeforderte Spezialberichte der Regionalen Schulaufsicht. Aktive Kontrollen, in Form etwa von unangemeldeten Visitationen, fanden nicht statt.
Inszenierte Lektionen?
SP-Kantonsrätin Daniela Colombo war mit der Antwort nur teilweise zufrieden. Es würde schon wirksame Kontrollmechanismen geben, ist sie überzeugt. Dazu würden aufmerksame Schulbesuche gehören, aber auch eine Schulaufsicht, die nicht in regionaler Abhängigkeit stehe. «Möglicherweise wäre es sinnvoll, wenn eine speziell geschulte Person des Erziehungsdepartements die Visitationen vornehmen würde», schlägt sie vor. Ehemalige Lehrkräfte hätten ihr anschaulich geschildert, wie die Schulbesuchslektionen jeweils inszeniert würden. Eine 2006 ausgetretene Schülerin habe ihr zudem versichert, dass sie nicht gewusst habe, dass es eine Aufsichtsperson der Schulbehörde gebe, an die sie sich hätte wenden können.
Zahlreiche Kontakte zeigten ihr, dass ehemalige Mitglieder Angst hätten, vor Gericht auszusagen, weil sie psychisch unter Druck stünden, erzählt Daniela Colombo. Sie entnehme der Regierungsantwort keinen Freispruch, «sondern die Formulierung eines Mangels an Beweisen». Sie hoffe, «dass die angeworfenen Scheinwerfer ihr Licht weiterhin auf Domino Servite richten».