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„Eindeutige Misshandlungen“

Kurswechsel in der Schweiz: KSB-Schule will Vergangenheit aufarbeiten

Nach jahrelangem Leugnen, Vertuschen und Täuschen zeichnet sich offenbar  ein Kurswechsel bei dem ehemaligen Schweizer Zweig der südafrikanischen Mission Kwasizabantu  ab. Die „Christliche Schule Linth“ (CSLinth) , wie sich die einstige Domino Servite Schule heute nennt, hat in einem Brief an Eltern und  Schüler der Internatsschule in Hof Oberkirch  erklärt, die „Geschichte unserer Schule aufzuarbeiten“ und eine Untersuchung über Missbrauch an der Schule angekündigt. Dazu wurde eine sogenannte Meldestelle eingerichtet, eine psychologische Praxis, an die sich Opfer des Missbrauchs wenden können. Fast 30 ehemalige Schüler haben sich dort angeblich bereits  gemeldet. Tenor der bisherigen Mitteilungen: „Sie haben von eindeutigen Misshandlungen berichtet. Mädchen und Jungs“. Unterdessen recherchiert auch das Schweizer Fernsehen für eine Dokumentation über die Vergangenheit der Schule.

Jahrelang und immer wieder aufs Neue waren anfangs der 2000er Jahre  Vorwürfe gegen die Domino Servite Schule in Kaltbrunn/Schweiz laut geworden. Die Rede war stets von Psychoterror, von Schlägen für kleinste Verstöße gegen die Regeln des Ablegers der Mission Kwasizabantu, von Denunziation und Einschüchterung. Als die Behörden durch Zeitungsberichte schließlich wach wurden und den Vorwürfen nachgingen, gab es zwar keine Prügel mehr für die  Schulkinder, aber der Stress ging für sie dennoch weiter, bis hin zu monatelanger Verbannung nach Südafrika in die Zentrale der Sekte.

Die Behörden kamen nicht richtig weiter bei ihren Untersuchungen. Felix Brunner, damals Amtsleiter für Volksschule im Kanton St. Gallen gab zu Protokoll, bei den Besuchen der Schulbehörden werde jeweils alles vorbereitet und herausgeputzt, der Schulinspektor werde von singenden Kindern empfangen.  „Uns fehlen die Beweise“, argumentierte Felix Brunner. Die Vorwürfe würden von der Schule immer bestritten. „Aussage steht gegen Aussage“. Es sei „eine absolut unbefriedigende Situation“.

„… immer bestritten!“ Das ist das charakteristische Merkmal für die Sekte Kwasizabantu (KSB) überall dort, wo sie ihre Ableger hat. Doch jetzt, nach fast drei Jahrzehnten energischen Abstreitens aller internen und externen Vorwürfe kommt nun eventuell Bewegung ins Spiel. In dem von Walter Mannhart, einem über Jahrzehnte intern als Hardliner geltenden Spitzenfunktionär der KSB-Sekte unterschriebenen Brief heißt es nun: „Für  Gewalt, Diskriminierungen oder Missbrauch kann es keine Toleranz geben“. Es habe  in der Geschichte der Domino Servite Schule „Anlass zu Zweifel“  gegeben, dass die christlichen Werte, die die Schule doch habe vermitteln wollen, in ihr auch gelebt wurden.

Deshalb, so der am 4. Oktober 2021 datierte Brief,  wolle man sich der Vergangenheit stellen. Ein bisschen merkwürdig klingt es für manche Postempfänger nach all den Jahren wohl schon, wenn es in dem Schreiben heißt: „Sie sind eingeladen, sich per Brief oder E-Mail bis 30. Oktober 2021 an die Praxisgemeinschaft Daniel und Regina Zwiker zu wenden, falls Sie Ihrer Ansicht nach Opfer eines Missbrauchs durch Vertreter der Schule oder Mitschüler sind oder Kenntnis von einem entsprechenden Vorfall haben“. Nach all den Jahren der Misshandlungen und Lügen  gibt der Trägerverein der „Christlichen Schule Linth“  den Opfern ganze 26 Tage sich zu melden,  Personen traumatisierende Erlebnisse zu schildern, die sie nicht kennen, deren Hintergrund sie nicht wissen und von deren Verbindungen zu der Sekte und ihrer Nachfolger sie keine Ahnung haben können. Plötzlich kommen Psychologen ins Spiel, von denen in KSB-Predigten schon immer sehr deutlich wurde, was man in der Sekte generell von ihnen hielt: nämlich gar nichts. Die KSB-Nachfolger planen das weitere Procedere so: Nachdem die Therapeuten einen anonymisierten Bericht über die Aussagen der Opfer verfasst haben, sollen zwei Juristen diese Berichte untersuchen und bewerten.  Der Brief sagt den Opfern zu,  „geschehenes Unrecht transparent aufzuarbeiten, soweit dies überhaupt möglich ist“,

„Verursachtes Leid können wir nicht ungeschehen machen,“ heißt es in dem Schreiben und auch „Wir bedauern und entschuldigen uns, dass wir diese Untersuchung nicht schon vor Jahren initiiert haben“.  Klingt das wie ein Anflug von Erkenntnis und Reue, lässt allerdings der letzte Satz des Schreibens erkennen, dass der Leitung des Trägervereins  der CSLinth noch immer nicht in den Sinn kommt, wie furchtbar und prägend die Erlebnisse mancher ihrer hilflosen Schützlinge gewesen sein könnten. „Wir sind ihnen dankbar, wenn Sie von diesem Angebot Gebrauch machen und uns unterstützen könnten“, schreibt da Walter Mannhart ohne zu bemerken, wie er hier inhaltlich entgleist. Es klingt, als mache er  den Opfern der Schweizer  Schule Kwasizabantus ein Angebot, damit diese ihn und die Organisation  unterstützen, von der sie einst misshandelt worden sind. Von Unterstützung der Opfer ist nicht die Rede.

Aufklärung von Missbrauchsfällen hat  vor allem den Opfern zu dienen. Sie sind diejenigen, die zu unterstützen sind. Und niemand sonst! Die Aufklärung von Missbrauchsfällen kann erst sekundär den Verursachern dienen, damit sie Konsequenzen ziehen können. Es wäre angebracht gewesen, dies zum Ausdruck zu bringen. Die Katholische Kirche ist da schon weiter als Ex-KSBler: Die Aufklärung des Missbrauchs in ihren Reihen dient dort auch zuerst den Opfern, ihnen wird sogar Entschädigung zuteil.

Doch Egozentrik hin,  mangelnde Sensibilität her – nun scheint es aber tatsächlich eine reale Möglichkeit zu geben, die endlosen Lügenmärchen der Kwasizabantu unterstehenden Schulleitung und der Leitung der KSB-Sekten-Zweigstelle in der Schweiz aufzudecken. Und womöglich zu beginnen, die  Traumata der Vergangenheit aktiv zu bearbeiten. Die von der CSLinth eingeschalteten Therapeuten Daniel und Regina Zwiker in Gümlingen unweit von Bern sind ausgewiesene Fachleute für psychischen, physischen – und auch religiösen Missbrauch. Sie erklären, die Mission Kwasizabantu  und deren Schule zuvor nicht einmal gekannt zu haben und wissen, wieviel Mut es braucht, sich nach erfahrenem Missbrauch an sie zu wenden. Wie es heißt, hätten sich trotz der kurzen Frist bereits fast 30 Personen bei ihnen gemeldet. In einer Mail  an den Vater eines deutschen Ex-Schülers in Kaltbrunn schreiben sie: „Sie haben von eindeutigen Misshandlungen berichtet. Mädchen und Jungs“.

Hier die E-Mail-Adresse der Therapeuten: praxis@danielzwiker.ch

Unterdessen recherchiert auch das Schweizer Fernsehen für eine Dokumentation über die Vergangenheit der Christlichen Schule Linth und die Vorgänge im Hof Oberkirch.  Auch das SRF bietet den Opfern des Missbrauchs in Kaltbrunn an, sich zu melden und über Geschehenes zu berichten. Die Redakteurin Eveline Falk sichert  allen, die den Kontakt zu ihr suchen,   strengste Vertraulichkeit zu. Allerdings besteht eventuell auch die Möglichkeit, vor laufender Kamera über den erlebten Psychoterror und Missbrauch zu sprechen.

Hier die E-Mail-Adresse der Redakteurin des Schweizer Fernsehens: eveline.falk@srf.ch

In einem Begleitschreiben an alle, die sich in der Angelegenheit Kaltbrunn-Hof Oberkirch-Domino Servite Schule  an die Psychologische Praxis gewendet haben, heißt es:

„… Wir können uns vorstellen, dass Sie das einige Überwindung gekostet hat. Umso mehr schätzen wir Ihren Mut. Es ist wichtig, Licht in diese dunkle Seite der Institution zu bringen, damit sich dies nie mehr wiederholt und vor allem Sie Anerkennung Ihres Schmerzes und Ihres Leids erhalten.

CSLinth möchte die Geschichte ehrlich und transparent aufarbeiten und aus den Fehlern ihrer Geschichte lernen. Deshalb wurden meine Frau und ich beauftragt, als unabhängige Fachpersonen Gespräche zu führen. Es geht dabei um Folgendes:

  1. Eine Hilfestellung: Zuallererst möchten wir zuhören, Ihr Erleben verstehen. Meine Frau und ich möchten klären, inwieweit Sie Hilfe zur weiteren Verarbeitung brauchen. Bei Bedarf werden wir Ihnen Psychotherapeutinnen oder Psychotherapeuten in Ihrer Nähe vermitteln, mit denen Sie Ihre Erfahrungen mit CSLinth verarbeiten. Wenn es möglich ist (es dürfte oft eine Frage der Reisewege sein), werden wir auch persönlich dafür zur Verfügung stehen.
  2. Eine Bestandsaufnahme: Es ist wichtig, das Ausmaß von Missbrauch auf vielen Ebenen (körperlich, psychisch, sexuell, religiös) zu erheben, damit Licht in diese Dunkelheit kommt. Dazu werden wir einen anonymisierten Bericht verfassen.
  3. Juristisches: Falls etwas juristisch aufgearbeitet werden soll, helfen wir Ihnen, mit Fachpersonen in Kontakt zu treten, die Sie juristisch in den weiteren Schritten beraten. Auch diese Fachpersonen sind in diesen Fragen erfahren und von CSLinth unabhängig. Natürlich bleiben Sie frei, allenfalls einen solchen Schritt einzuleiten oder auch nicht oder selbst eine juristische Beratung auszuwählen.

Unsere Unabhängigkeit von CSLinth (Schule, Gemeinde und Mission) ist eine sehr wichtige Voraussetzung für diesen Prozess. Es liegt uns am Herzen, Sie kompetent auf diesem Weg zu unterstützen. Wir haben beide eine langjährige Erfahrung in der Verarbeitung und Begleitung von Missbrauch in seinen vielen Facetten. Selbstverständlich finden die Gespräche in vertraulichem Rahmen statt. ….

Es ist uns bewusst, dass die Frist für eine erste Kontaktnahme bei uns auf Ende Oktober sehr kurz bemessen wurde, zumal noch Ferienzeit ist. Die Zeit der Gespräche mit uns wird sicherlich bis Ende Jahr dauern. Deshalb werden wir Kontaktnahmen bis vor die Festtage sicherlich berücksichtigen. Manche Personen brauchen noch etwas Zeit, um sich zu entscheiden und Verschiedenes abzuwägen. Das verstehen wir.

Wir sind froh, wenn Sie uns Ihre Terminmöglichkeiten möglichst bald, spätestens bis 14.11.21, mitteilen. Herzlichen Dank. 

In Erwartung Ihrer Antwort verbleiben wir mit freundlichen Grüßen

Regina und Daniel Zwiker