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„Die sollen endlich erkennen, was sie angerichtet haben“

Die einstigen Ansprüche an Sünder gelten für die Protagonisten der Ex-KSB-Sekte offenbar nicht / Das Erzbistum München und die Evangelische Gemeinde Hof Oberkirch

Hermann Schlicker, Leiter des Pfarrverbandes Allershausen im Erzbistum München und Freising, hat dieser Tage einen Satz gesagt, der wirkt wie ein wütender Schlag mit der flachen Hand auf einen Tisch. Es ging um die Art und Weise, wie sich sein ehemals oberster Dienstherr, Papst Benedikt XVI., bei der Aufklärung der massenhaften Missbrauchsfälle und ihrer Vertuschung durch die Katholische Kirche verhält und wie er sich zu dem Thema äußert. Der Satz lautet: „Den ganzen pathetischen Rotz hätte er sich sparen können“. Wie enttäuscht er über die mangelnde Bereitschaft des ehemaligen Münchener Erzbischofs Joseph Ratzinger ist, als Christ wirklich Reue für seine Versäumnisse in dem Mega-Missbrauchsskandal zu zeigen, formulierte Schlicker so: „Was hätte es ihm geschadet zu sagen: Ich habe es falsch gemacht, ich bereue das und ich stehe dazu?“

Frage: Was haben die Katholische Kirche und die abgespaltenen Überbleibsel der Mission Kwasizabantu in der Schweiz gemeinsam? Antwort 1: Sie arbeiten massenhaften Missbrauch von Kindern und Jugendlichen auf.* Antwort 2: Hinweisen auf Missbrauchsfälle ist in ihren Reihen nicht nachgegangen worden. Antwort 3: Der Missbrauch wurde vertuscht. Antwort 4: der heilige Schein war wichtiger als das Wohl der Opfer. Antwort 5: Es gab systemisches Versagen. Antwort 6: Die Zerknirschungsrhethorik.

Die Pressemitteilung der von der Sekte Kwasizabantu (KSB) Schweiz losgelösten Nachfolgeorganisationen, die Christliche Schule Linth (CSL) und die Evangelische Gemeinde Hof Oberkirch (EGHO) vom 19. Januar 2022, war eine erste Bestandsaufnahme nach den Anhörungen der Missbrauchs-Betroffenen – und sie erinnert stark an Reaktionen und Rhetorik der Katholischen Bistümer in Deutschland, wenn die Gutachten über die Missbrauchsfälle in ihren Reihen öffentlich werden.

Ungewöhnlich für kleine religiöse Gemeinschaften: die Ex-KSB-Gruppe hat ein PR-Unternehmen engagiert, um ihre Botschaften nach außen zu kommunizieren – „b-public“ mit Sitz in Rotkreuz, Zürich und Genf, ein alteingesessenes Unternehmen mit acht Medienprofis und „strategischer Kommunikation“ und „Krisenkommunikation“ im Produktportfolio (Werbespruch: „ Wir stärken die Kommunikation von außergewöhnlichen Unternehmen“). Dessen Geschäftsführer Markus Baumgartner ist nun der Mediensprecher von Schule und Gemeinde in Kaltbrunn.

Trotz des enormen Aufwands – auch die besten Profis können nicht verhindern, dass das, was die Süddeutsche Zeitung über die Kommunikation der Katholischen Bischöfe schreibt, an dieser Stelle ganz ähnlich über die Botschaft der Sektennachfolger an die Öffentlichkeit stehen könnte: „Die Worte, deren sich die Hierarchien der Kirche bedienen, …. , sind meist dieselben: Man gibt sich erschüttert, zeigt sich beschämt und gelobt Besserung“. Die Zeitung bemerkt zudem: „Benedikt hat offenbar nichts unternommen und damit nicht nur in Kauf genommen, dass mutmaßliche Übeltäter davonkamen, sondern auch, dass sie weitermachen konnten wie bisher.“ Frage: Wer war der Benedikt vom Hof Oberkirch, wer waren seine „Priester“, die exakt so gehandelt oder besser: nicht gehandelt haben? Davon steht in der Mitteilung an die Öffentlichkeit kein Wort.

Gleichwohl, der Kaltbrunner „Benedikt“ ist bekannt. Im Schweizer Tages-Anzeiger vom 24. Juni 2006 schrieb der Sektenspezialist Hugo Stamm:

„Die prägende Figur beim fundamentalistischen Missionswerk Kwasizabantu (KSB) ist der bekannte Glarner „Schokoladenkönig“ Jürg Läderach von Ennenda. Er tritt nicht nur als Aushängeschild und großzügiger Mäzen auf, sondern bestimmt die Geschicke von KSB an vorderster Front. So sitzt Läderach im Vorstand des Vereins KSB, ist Mitglied des Schulrates der Privatschule Domino Servite und Präsident von “Christen für die Wahrheit“. Diese Ämterkumulation zeigt auch die gern kaschierten Verstrickungen und die Einflüsse von KSB auf andere fromme Institutionen. Außerdem amtiert er als Prediger.“

Die Süddeutsche Zeitung schreibt über die Praktiken im Erzbistum München, und man könnte meinen, sie schreibt über die Sekte in Kaltbrunn: „Der heilige Schein war wichtiger als das Wohl der Opfer mafiös anmutender Strukturen, in denen Loyalität wichtiger war als Recht und Moral“. Jeder, der einmal mit wachen Ohren und Augen durch den Hof Oberkirch gestreift ist, weiß, dass die Beschreibung exakt auf die dortige Gemeinde und Schule zutrifft, zumindest zutraf: mafiöse Netzwerke, bedingungslose Loyalität, totaler Gehorsam, absolute Verschwiegenheit.

Freilich, dass überhaupt eine Aufarbeitung der eigenen Geschichte in Kaltbrunn angestoßen worden ist, ist positiv. Zumal in den ehemaligen Sektenfilialen in Deutschland und Holland der kritische Blick zurück völlig ausbleibt. Aber vor allem soll, das macht die Erklärung vom 19. Januar deutlich, der „heilige Schein“ der CS Linth und der Evangelischen Gemeinde Hof Oberkirch weiter glänzen. Doch bei dem Versuch, diesen nun zu polieren, verwickeln sich ihre Protagonisten in Widersprüche. Da heißt es einerseits: „Das was geschehen ist, war und ist Unrecht. Die damals angewandte Lehre und das damit verbundene Menschbild sind mit dem, wofür die Gemeinde wie die Schule seit spätestens 2019 stehen, nicht vereinbar.“ Und andererseits wird betont, die Lehre von damals sei unglücklicherweise nur von einzelnen „falsch ausgelegt“ worden. O-Ton Medienmitteilung: „Die Missbräuche gehen dabei vor allem auf eine damals von Einzelnen falsch ausgelegte Lehre zurück…“. Was denn nun, war die Lehre falsch – oder von Einzelnen falsch ausgelegt?

Mal ganz langsam zum Mitschreiben: Wenn am Hof Oberkirch Lehre und Menschenbild von heute nun das Richtige sein sollen, dann müssen Lehre und Menschenbild von damals falsch gewesen sein. Das Fiasko nun „Einzelnen“ in die Schuhe schieben zu wollen, kann nicht funktionieren. Denn der entschuldigende Satz in der Kaltbrunner Pressemitteilung, „wir haben uns zu schnell mit einfachen Antworten und Reaktionen zufriedengegeben“, bestätigt, dass es wie in der Katholischen Kirche auch in Kaltbrunn um ein systemisches Versagen geht. Der ganze Apparat, alle, die ihn am Laufen hielten, sind völlig gescheitert.

Erzbischof Marx hat die Schwere der Schuld in seinem Erzbistum auf den Punkt gebracht: „Wir sehen ein Desaster“. Und er hat es als seine „größte Schuld“ und „unverzeihlich“ bezeichnet, die Betroffenen von Missbrauch übersehen zu haben. „Er hat“, schreibt die Süddeutsche Zeitung, „zu wenig für die Aufklärung und Aufarbeitung getan. Und damit zu wenig für die Betroffenen“. Wer die KSB-Sekte von innen kennt, weiß: Es gibt da jede Menge Parallelen zwischen dem großen Erzbistum München und der kleinen Welt des Hof Oberkirch.

Während in Kaltbrunn in dieser Hinsicht Funkstille herrscht, gesteht Kardinal Marx auch persönlich Schuld ein. Wobei das aber noch nicht reicht, findet die Süddeutsche Zeitung: „Das Schlimmste war die fehlende Empathie für die Opfer, deren Dunkelziffer in ihrer Dimension gar nicht zu erfassen ist“. Und fügt hinzu: „Die meisten der geschundenen Kinder und Jugendlichen haben schwerste seelische Schäden erlitten, an denen viele bis zum Lebensende leiden werden“. Das ist auch bei vielen Kindern und Jugendlichen der Fall, die unter der Knute der Sekte in Kaltbrunn standen. Die Berichte an die Psychologenpraxis in Gümlingen, von denen einige auch uns vorliegen, lassen keinen anderen Schluss zu.

Die Christliche Schule Linth und die EGHO – die Gruppe steht bei der Aufarbeitung ihrer Geschichte noch ganz am Anfang, und es ist verständlich, dass das nach so vielen Jahrzehnten nicht so schnell zu jedermanns Zufriedenheit ablaufen kann. Aber klar ist: es ist zu wenig, wenn nur eine einzige Person, Othmar Voser, stellvertretend für Gemeinde und Schule Fehler eingesteht und von Scham und Betroffenheit spricht. Wenn er verlauten lässt, „die Gemeinde wie auch die Schule werden bei allen Betroffenen von Missbrauch oder grenzüberschreitendem Verhalten in aller Form offiziell für das ihnen angetane Leid um Entschuldigung bitten“ und ankündigt, dass alle bisherigen Verantwortlichen von ihren Posten zurücktreten, dann klingt das eher hilflos. Als ob eine offizielle Entschuldigung – auf einem Blatt Papier und in der Linth-Zeitung erwähnt – oder Rücktritte irgendetwas bei den Opfern wieder gut machen könnten!

Man muss nur in Kreise der Betroffenen hineinhören um zu wissen, was viele von ihnen davon halten: sehr wenig! Mit Rücktritten, heißt es da, nehmen sich die Verantwortlichen für das Debakel aus dem Spiel und wollen sich unsichtbar machen. Es heißt auch, „eine Schule kann sich nicht entschuldigen, auch eine Gemeinde nicht“ – das müssten schon persönlich all jene sein, die das mafiöse Netzwerk der Kwasizabantu-Fundamentalisten in Kaltbrunn geschaffen, ihm jahrzehntelang angehört, seine Regeln durchgesetzt und dem Missbrauch alle Tore geöffnet haben. Wie hat der Pfarrer Schlicker aus Allershausen doch so schön gesagt: „Was hätte es ihm geschadet zu sagen: Ich habe es falsch gemacht, ich bereue das und ich stehe dazu?“ Mindestens das ist der Maßstab.

Noch einmal: „Die meisten der geschundenen Kinder und Jugendlichen haben schwerste seelische Schäden erlitten, an denen viele bis zum Lebensende leiden werden“, schreibt die Süddeutsche über die Opfer der Katholischen Kirche. Sollte jemandem in Kaltbrunn etwa einfallen, die Missbrauchsfälle auf dem Hof Oberkirch ließen sich ja nicht mit den sexuellen Missbrauchsfällen in der Katholischen Kirche vergleichen, dem sei hier ein Zitat aus dem Buch „Sektenkinder“ von Kathrin Kaufmann, Laura Illig und Johannes Jungbauer entgegengehalten. Ein inzwischen 38jähriges Missbrauchsopfer einer Sekte sagt da nämlich über eine Therapiestunde mit einer Sekten-unerfahrenen Therapeutin: „Und immer, wenn ich zur Therapie gegangen bin, wollten sie mich in eine dieser Kategorien stecken: Trauma, Misshandlung, Gewalterleben. Aber ich hatte keine Lust, die ganze Zeit nur über meinen sexuellen Missbrauch oder die Gewalterfahrungen zu sprechen – eine Sektenerfahrung ist so viel mehr als das.“ So viel mehr als das! Hier wird die Dimension deutlich, um die es geht: es braucht nicht reihenweise sexuellen Missbrauch, um aus Kindern und Jugendlichen – und auch Erwachsenen – seelische Wracks zu machen. Und das ist es, was sie getan haben in Kaltbrunn! Über Jahrzehnte hinweg!

Es gibt für die Missbrauchsopfer in Kaltbrunn viele Rätsel, die zu lösen ihnen womöglich helfen könnte, das Vergangene besser zu verarbeiten. Betroffene fragen sich seit Jahren, wie es möglich ist, dass die Prediger und Leiter der Gemeinde auf der einen Seite versucht haben, ihre Schäfchen bei jeder Gelegenheit für jede noch so haarkleine Sünde zu sensibilisieren, auf der anderen Seite aber völlig blind waren für ihre eigenen Verfehlungen und das, was sie selbst den Menschen um sich herum angetan haben. Wo die abgespaltenen Teile der Sekte Kwasizabantu Schweiz jetzt in die Welt posaunen, „unser Glaube steht für Respekt und Liebe gegenüber jedem Menschen“, da fragen sich Betroffene heute, „warum stand euer Glaube damals nicht dafür?“ Und: „Kann man heute plötzlich das Gegenteil von gestern glauben?“ Wenn in der Ankündigung der Aufarbeitung ihrer Geschichte für die CS Linth Walter Mannhart schreibt: „Für Gewalt, Diskriminierungen und Missbrauch kann es keine Toleranz geben“, fragen sich heute viele KSB-Opfer, wie eben dieser Walter Mannhart und seine Leitungskollegen jetzt darauf kommen und warum ihnen das nicht viel früher eingefallen ist. Ganz grundsätzlich sind die verblüfften Geschädigten und die Öffentlichkeit brennend daran interessiert zu erfahren, woher denn eigentlich die plötzliche Erkenntnis kommt, dass die bisherige, über Jahrzehnte verkündete Lehre aus der „Erweckung“ wohl doch falsch war – wo die Gemeinde- und Schulleiter doch angeblich bis unter die Haarspitzen mit dem Heiligen Geist gefüllt und quasi unfehlbar waren? Es gibt Viele, die gerne Antworten auf ihre Fragen hätten!

„Die Zerknirschungsrhethorik in der Katholischen Kirche wirkt zunehmend hohl“, schrieb die Süddeutsche. Und sie ist auf dem Hof Oberkirch genauso hohl. Aber das muss sie wohl auch, weil Täter ihre Opfer nicht verstehen können – oder auch nicht wollen. Wenn sie es aber wollen, und das scheinen die anonymen Erschütterten in Kaltbrunn ja zu signalisieren, dann müssen sie erst einmal begreifen lernen, was sie angerichtet haben. Ob sie dazu in der Lage sind? Interessant ist ein Hinweis an die Riege der einstigen Führer von KSB-Schweiz, den sie vielleicht ernst nehmen sollte. Er stand in der Linth-Zeitung in dem Bericht „System der Angst…“ am 19. Januar 2022 und lautet so: „In einem Gespräch, dass am Montagabend exklusiv mit der Linth-Zeitung geführt wurde, sagte eine der für die Kommunikation zuständigen Personen: Die früheren Verantwortlichen, welche offenbar Schüler und auch Gemeindemitglieder mit Schlägen züchtigen wollten, hätten fast schon krankhafte Züge gezeigt“. Ist das vielleicht ein Teil der Antwort auf die ganz große Frage nach dem Warum?

In dem erwähnten Buch „Sektenkinder“ gibt es ein paar Zwischenüberschriften, die einige Merkmale von Sekten benennen, die auch für Kwasizabantu Schweiz immer gegolten haben. Hier einige davon – die betroffenen Ehemaligen von KSB Schweiz kennen das alles, die Ex-KSB-„Gottesmänner und -frauen“ aber womöglich nicht:

Glaubensgemeinschaft als wichtigste Instanz # Erfahrungen mit Gewalt # Korsett an Regeln # Gehorsam und Unterwerfung # Abgrenzung nach Außen – wir gegen den Rest der Welt # Die Außenwelt als Bedrohung # Anders sein # Vorgezeichneter Weg # Sexualität als Tabu # Leben wie im Käfig (Hochzeiten, Freundschaften nach außerhalb)

Allein schon diese wenigen Hinweise auf die grundlegende Problematik jeder Sekte, also auch der auf dem Hof Oberkirch, macht deutlich, dass sie dort vielen Menschen das Leben zu einer engen Hölle gemacht und sie ihnen als den Himmel verkauft hat. Mit der Bibel oder dem christlichen Glauben hatte das wenig zu tun, wenn sie etwa Kontakte zwischen Jungs und Mädchen bestraft haben. Oder wenn Kinder und Jugendliche in die Seelsorge gezwungen wurden, wo sie alles bis hin in ihre Gedankenwelt zumeist völlig unqualifizierten „Seelsorgern“ offenbaren mussten oder wo auf die kleinsten Vergehen gegen die Sektenregeln völlig überzogene Strafen folgten. Wer so manchen Bericht liest, der an die Praxisgemeinschaft für Psychotherapie und psychologische Beratung von Daniel und Regina Zwiker geschickt wurde, braucht gute Nerven. Die Bewertung nach der Lektüre kann nicht anders lauten: diese Schule, diese Gemeinde in Kaltbrunn war für viele Menschen der blanke Horror. Was immer die Gurus aus Südafrika, Erlo und Friedel Stegen, den Schweizer Sektenführern einbläuten, sie setzten es im Namen Jesu gewissenlos um.

Jetzt haben die angeblich so Reuigen ein Problem, nämlich ihre Glaubwürdigkeit. Denn Sektenspezialist Hugo Stamm schrieb im „Tages-Anzeiger“ unter dem Titel „Kwasizabantu: Wenn Gott Angst macht“ schon damals im Juni 2006:

„Ehemalige KSB-Mitglieder richten schwere Vorwürfe an die geistlichen Führer und Pastoren von KSB. Sie sprechen von Psychoterror, seelsorgerischem Missbrauch, Unterdrückung der Frauen, Bespitzelung und Denunzierung. Die körperliche Züchtigung nach biblischer Anleitung («Wer seine Kinder liebt, der züchtigt sie») beschreiben sie als wichtiges erzieherisches Mittel.
Selbst Glaubensgeschwister aus dem freikirchlichen Umfeld gehen gelegentlich auf Distanz zum Missionswerk. So warnte schon vor ein paar Jahren „Idea“, ein Organ frommer Christen, in einem ungewohnt scharfen Artikel vor KSB. Darin spricht auch ein Schwiegersohn von Friedel Stegen von Betrug, Lügen und Rufmord innerhalb von KSB. Seit diesem Tiefschlag polieren die KSB-Anhänger, die in der Schweiz vom Glarner «Schokoladenkönig» Jürg Läderach angeführt werden, tüchtig am Image.“

Was aber sollen die Opfer von einst den angeblich so bußfertigen Verantwortlichen denn nun eigentlich glauben, die damals Behörden und Medien auf Nachfragen über die Zustände an der Schule in Kaltbrunn stets aufs Neue belogen haben? Lügen sie bei der öffentlichen Präsentation ihres angeblichen Entsetzens vielleicht schon wieder? Weil sie in der Sekte Kwasizabantu gründlich gelernt haben, sich wie Chamäleons an die jeweilige Situation anzupassen und die Farbe nach Bedarf zu ändern? In den Reihen der KSB-Opfer herrschen Zweifel, ob das alles echt ist, was da momentan aus Kaltbrunn präsentiert wird. Eine Betroffene äußert den Verdacht: „Denen geht es doch nur darum, ihre Haut zu retten!“

Die Skepsis ist nachfühlbar. In dem Buch „Sektenkinder“ berichten Missbrauchsopfer noch von ganz anderen Arten von Lügen, die den KSB-Ehemaligen sehr bekannt vorkommen und die auch ihr Leben geprägt haben. „Die haben mich so belogen. Die Menschen da draußen sind nicht schlecht“ heißt es da, oder: „Ich bin total überrascht, wie nett die Menschen in der Außenwelt sind. Das habe ich nicht erwartet.“ Doch es kommt noch etwas hinzu. Denn Ehemalige aus Kaltbrunn verweisen darauf, dass ihnen auch eine Erweckung vorgelogen worden ist, die nichts anderes war als geschickte PR. Was von der Sekte aus Südafrika an Glaubenslehre nach Europa exportiert wurde, sei zu einem großen Teil theologischer Schrott gewesen, hätte sich aber unter dem Stichwort „Erweckung“ bestens verkauft. „Sie haben uns mit der Bibel in der Hand theologisch angelogen“, sagt eine ehemalige Kaltbrunner Schülerin. Stimmt: aus einem Gott der Barmherzigkeit wurde in Kaltbrunn ein unbarmherziger Gott, der Angst macht. Wer viele Jahre einen solchen Gott gepredigt bekommt, hat Schwierigkeiten, irgendwann das freimachende Evangelium anzunehmen und ist in seinem Glaubensleben schwer geschädigt.

Nachdem die abgespaltenen Kaltbrunner KSB-Nachfolger die Welt lange nur durch ihre Brille und die göttliche Wahrheit ausschließlich auf ihrer Seite gesehen haben, tun sie sich jetzt schwer dabei neues Terrain zu betreten und wirken unbeholfen. Nach dem Motto „Erst wir, dann alle anderen“ kommen die Opfer ihres jahrelangen Missbrauchs in der Maßnahmen-Liste zur Neuordnung von Gemeinde und Schule erst bei Punkt sechs an die Reihe. Und der lautet: „Der Dialog mit den Betroffenen soll weitergeführt werden. EGHO und CSL bieten den Betroffenen direkte Gespräche an.“ Frage: Welch ein Dialog soll weitergeführt werden – es gab doch gar keinen!? Gespräche mit Psychologen bei Bern sind kein Dialog mit Ex-KSB in Kaltbrunn! Und dann das Angebot von „direkten Gesprächen“ ! Sollen die Opfer etwa von weit her kommen, um sich eine Entschuldigung in Kaltbrunn abzuholen? Kann sich da trotz des Eifers um einen Neuanfang immer noch niemand vorstellen, welch eine Tortur es für die Missbrauchten bedeuten kann, an die Stätte ihrer Leidensgeschichte zurückzukehren? Pardon, aber geschliffene Presseerklärungen sind noch lange kein Nachweis dafür, das Problem in seiner Tiefe verstanden zu haben. Ihre einstigen hohen Ansprüche an andere Sünder gelten für die Protagonisten der Ex-KSB-Sekte selbst offenbar nicht. Da müsste mehr kommen!

Aber was stellen sich nun die Geschädigten der Sekte vor, was sagen sie, wenn sie von dem Willen zur Aufarbeitung der Geschichte von Schule und Gemeinde Hof Oberkirch hören? Wir haben mal herumgehört. Da fallen Sätze wie diese:

„Die müssen kapieren, was echte Buße und Reue ist!“

„Ich will eine persönliche Entschuldigung bei mir, der anzumerken ist, dass es ihnen wirklich leidtut, mich so lieblos, unchristlich, abwertend behandelt zu haben.“

„Sie sollen persönlich nachfragen, wie sie es wieder gutmachen können.“

„Ihr habt kein Gefühl dafür, wie es euren Opfern geht.“

„Die sollen sich outen, ihre Opfer verstehen lernen und glaubhafte Reue zeigen.“

„Ihr wart die Könige im Fordern von Buße und Reue. Jetzt nehmt sie endlich ernst und praktiziert sie einmal selbst.“

„Einfach mal sagen, was für einen Mist sie gebaut haben, Reue bekunden, persönlich um Vergebung bitten.“

„Sie müssen das, was sie falsch gemacht haben, persönlich öffentlich aussprechen.“

„Ihr könnt den Schaden, den ihr angerichtet habt, gar nicht wieder gutmachen.“

„Am liebsten würde ich sie so prügeln, wie sie verlangt haben mich zu prügeln.“

„Man muss die Fehler, die passiert sind, auch nach innen in die Gemeinde kommunizieren – jeden einzelnen.“


Buchempfehlungen

Zum Verständnis der Situation der in KSB-Kreisen Aufgewachsenen empfehlen wir diese Bücher besonders denen, die in KSB und ehemaligen KSB-Organisationen Leitungsfunktionen innehaben oder -hatten. Für KSB-Geschädigte sind die Bücher hilfreich, weil sie darin noch einmal eine starke Legitimation für ihre Zweifel an der Mission Kwasizabantu und ihrer Loslösung von der Gruppe erhalten.

  • Sektenkinder
    Über das Aufwachsen in neureligiösen Gruppierungen und das Leben nach dem Ausstieg
    Kathrin Kaufmann/Laura Illig/Johannes Jungbauer
    Balance-Verlag, 15 Euro
    ISBN: 978-3-86739-182-5

    Ein Buch für alle, die in Sekten aufgewachsen sind, einen Ausstieg erwägen oder diesen bereits vollzogen haben, deren Partner, Angehörige und Freunde. Aber auch Beratungsstellen und professionell Helfenden, die Aufklärungsarbeit leisten, eröffnet das Buch neue Sichtweisen und Perspektiven.
  • Die zerstörende Kraft des geistlichen Missbrauchs
    Von David Johnson und Jeff vanVonderen
    Verlag: Christlicher Mediendienst, 336 Seiten, 13,50 Euro
    ISBN: 9783945973004

    Als die Publikation 1991 in den USA erschien, gehörten Johnson & VanVonderen zu den ersten, die dieses brisante Thema öffentlich machten. Sie sprachen von geistlichem Missbrauch. Ihr Werk wurde zu einem Klassiker, der seither ungezählten Menschen geholfen hat. 18 Auflagen und Übersetzungen in viele Sprachen belegen das.

    Die Autoren lehren fachkundig und illustrieren ihre Ausführungen mit ungezählten praktischen Beispielen. Hier sind Seelsorger am Werk. Zuerst beschreiben Johnson & VanVonderen die verschiedenen Arten der frommen Gewalt. Dann nehmen sie Menschen unter die Lupe, die solche Taten begehen. Ihr Buch schließt mit wertvollen Kapiteln über Heilung nach geistlichem Missbrauch.
    – Darum sollten christliche Älteste, Leiter und Pastoren dieses Buch lesen, damit sie erkennen, wie schädlich es ist, wenn Christentum auf das Einhalten äußerer Verhaltensregeln reduziert wird.
    – Missbrauchte Menschen sollten es lesen, damit sie realisieren, was mit ihnen geschehen ist und wie sie durch die Gnade Gottes wieder heil werden können.
    – Eltern und Erzieher sollten sich mit der Thematik befassen, denn auch in christlichen Häusern und Einrichtungen geschieht manch fromm verbrämter Missbrauch.